Gesundheit im professionellen Tanz

Stärkung individueller Gesundheitskompetenzen

Die Entscheidung professionell Tanzen zu wollen bedeutet für jeden Tänzer, seinen Körper bis an seine physischen und psychischen Grenzen und manchmal auch weit darüber hinaus steuern zu müssen. Gesundheit spielt demnach für Tänzer während der Ausbildung, der Karriere und nach der Tänzerlaufbahn eine große Rolle. Während in der Vergangenheit häufig die Karriere von Tänzern über die Gesundheit gestellt wurde, geht das Bestreben im professionellen Tanzbereich heutzutage immer mehr in Richtung Prävention und ganzheitliche Gesundheitsförderung.

Die Stärkung individueller Gesundheitskompetenzen, welche auch Wechselwirkungen zwischen körperlichen, geistigen und sozialen Aspekten mit einbeziehen erfahren immer mehr Aufmerksamkeit in der Prävention und Gesundheitsförderung von TänzerInnen. Gesundheitskompetenz beschreibt das Wissen, die Motivation und die Fähigkeiten von Menschen, relevante Gesundheitsinformationen zu finden, um angemessene Entscheidungen zur Gesundheit treffen zu können. Die Förderung von Selbstverantwortung und Selbstwirksamkeit sollte daher bereits während der Tanzausbildung einen hohen Stellenwert beziehen.

Gesundheitsstudie im professionellen Tanz von Stiftung TANZ

Die Stiftung TANZ – Transition Zentrum Deutschland hat mit der Charite und weiteren Partnern deutschlandweit die erste umfassende Gesundheitsstudie im professionellen Bühnentanz durchgeführt und die Ergebnisse in einer Broschüre dargestellt. Ich habe einige Kernaussagen daraus entnommen, um deren Einfluss auf die Förderung von Gesundheitskompetenzen darstellen zu können.

Die Zufriedenheit mit dem Beruf ist bei den Tänzerinnen mit 84,1% beziehungsweise 79,1% bei den Tänzern sehr hoch.

Trotz der hohen Ansprüche und Belastungen sind Tänzer also im Vergleich zu anderen Berufsgruppen sehr zufrieden mit ihrer Tätigkeit und würden Vieles dafür tun, damit sie ihren Beruf nicht frühzeitig aufgrund von Verletzungen oder Überlastungen aufgeben müssen. Eine Balance zwischen belastenden und erholenden Faktoren zu finden ist oft schwierig. Daher sollte eine Förderung von Gesundheitskompetenzen so früh wie möglich in den Lebenslauf der TänzerInnen integriert werden. Zu den Gesundheitskompetenzen zählen z.B. die Einschätzung des eigenen Gesundheitszustands und dem Gesundheitsverhalten, die Entscheidung zur Nutzung des Gesundheitssystems oder Alternativen sowie das Bestreben gesundheitsrelevante Informationen zu suchen und einsetzen zu können.

73,4% der Tänzerinnen und 81,5% der Tänzer haben innerhalb von 12 Monaten mindestens eine chronische Erkrankung des Muskel-Skelettsystems. Mehr als die Hälfte der Tänzer_innen hat dabei mehr als 3 bis über 5 Diagnosen.

Betroffen sind bei beiden Geschlechtern überwiegend der Lendenwirbelbereich und das obere Sprunggelenk. Während bei Tänzerinnen vor allem durch den Spitzentanz chronische Beschwerden in Füße/Zehen dominieren, sind es bei den Tänzern Beschwerden in den Schultern, welche durch Hebearbeit bei Partnerübungen entstehen.

Für die Prävention chronisch bedingter Erkrankungen ist ein gesundes Maß an Selbsteinschätzung und die Integration von geeignetem Ausgleichstraining notwendig. Pilatestraining als Beispiel, kann Dysbalancen und Überlastungen ausgleichen ohne die durch das Tanzen besonders beanspruchten Gelenke wie Füße und Wirbelsäule zu belasten. Die Wirbelsäule erfährt bei den Übungen eine sanfte Mobilisation, Rückenmuskeln werden gedehnt und gleichzeitig bei den Rollübungen sogar massiert. Das Beste ist aber, die gleichzeitige muskuläre Stabilisierung des Lenden-und Beckenbereiches. Beim Pilates lernt man, die kleinen, Gelenknahen Tiefenmuskeln zu aktivieren um diese auch im Tanztraining einsetzen zu können. Selber habe ich auch durch regelmäßiges Pilatestraining meine Rückenbeschwerden (Diagnose: LWS Osteochondrose nach über 20 Jahren Tanztraining) in den Griff bekommen und bin nun seit über 10 Jahren in dem Bereich komplett schmerzfrei. Allerdings nur solange ich regelmäßig weiter Pilates übe. Tja, that` s Life! Mach es besser und fang früher mit Pilates an 😉

Etwas mehr als 60% der Tänzer_innen versuchen sich zunächst selber zu behandeln

Über vier Fünftel der TänzerInnen suchen einen therapeutischen oder medizinischen Experten erst auf, wenn die eigene Behandlung nicht erfolgreich war. Insbesondere Zeitmangel, aber auch fehlendes Vertrauen in ausreichende tanzmedizinische Kompetenz von Ärzten und Therapeuten führen dazu, dass sich TänzerInnen zunächst selbst behandeln und diesbezüglich Wissen durch Selbststudium aneignen.

Auf keinen Fall will ich den Gang zum Arzt oder Therapeuten in Frage stellen. Ganz im Gegenteil, fachliche Beratung und eine professionelle Diagnose sind sehr wichtig und kein Tänzer sollte zu lange zögern, bevor er sich in Behandlung begibt. Dennoch habe ich die Erfahrung gemacht, dass viele Beschwerden selber behandelt werden können, wenn man weiss wie und zwar bevor sich ein chronischer Schmerzzustand oder eine ernsthafte Überlastungsverletzung manifestiert.

Techniken der Myofaszialen Selbstmassage sollte jeder Tänzer kennen. Sie sind sehr effektiv bei Muskelverspannungen, insbesondere bei hartnäckigen Myogelosen (Muskelverhärtungen). Diese wiederum führen nämlich bei chronischem Bestehen zu Muskeldysbalancen und dadurch zu Fehlbelastungen von Muskeln, Sehnen und Gelenken.

Neun von zehn Tänzer_innen sind an Fortbildungsangeboten interessiert.

Die Möglichkeiten zur spezifischen Recherche und Aneignung von Wissen ist für Tänzer demnach von großer Bedeutung. Insbesondere die Themen Prävention und Ernährung finden einen großen Zuspruch. Das Internet stellt dabei eine bedeutende Quelle für die Aneignung von Wissen und Beschaffung von Informationen dar.

Ausblick

Das Interesse von TänzerInnen sich Wissen anzueignen ist sehr hoch. Dabei sind vor allem zeitliche Aspekte und eine geringe körperliche Belastung von Bedeutung. Digitale Medien und Social Media Kommunikationskanäle sind in unserer modernen Wissens- und Informationsgesellschaft bereits Bestandteil vieler Lebensbereiche. Von Unterhaltung über Lernen und Arbeiten bis hin zu Gesundheit beeinflussen, strukturieren und formen sie die Wahrnehmung der Menschen, schaffen neue Interaktionsräume und werden dadurch zu einem wichtigen Sozialisationsfaktor.

Im Hinblick auf die Praxis von Prävention und Gesundheitsförderung im professionellem Tanz ist deshalb davon auszugehen, dass auch im professionellem Tanz dem Einsatz digitaler Medien künftig eine zentralere Rolle in der Gesundheitskommunikation zukommen wird.

Dieser Beitrag stellt eine Zusammenfassung von Ergebnissen der bundesweiten Querschnittstudie „Gesundheit im professionellen Bühnenanz“ von Stiftung TANZ – Transition Zentrum Deutschland Studie Stiftung dar. Die ausführliche Broschüre zur Studie findest du hier.

Quelle: Wanke, E. M.; Schmidt, M. Gesundheit im professionellen Bühnentanz– Ergebnisse einer bundesweiten Quer-schnittstudie

Broschüre: ISBN 978-3-00-067636-9

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