Der Weg als Ziel
Vinyasa oder häufig auch als Power Yoga bezeichnet hat sich vor allem in der westlichen Kultur zu einem beliebten zeitgenössischen Yogastil entwickelt. Vinyasa bedeutet, etwas auf eine bestimmte Art und Weise zu setzen. Yoga bedeutet auf Sanskrit Vereinigung. Im Vinyasa Yoga wollen wir also durch die Verbindung einzelner Körperhaltungen (Asanas) zu einem ganzheitlichen Kontinuum, einen Zustand von Bewusstwerdung und Integration von Herz, Körper, Geist und Verstand herbeiführen. Im spirituellen Sinne wäre das, den Zustand seiner wahren Existenz zu finden.
Die eigentliche Besonderheit im Vinyasa Yoga liegt aber in der fließenden Verbindung von Bewegung und Atem. Deine Bewegung folgt der Atmung, dadurch wird der Zugang zur Ein- und Ausatmung bewusster. Die Atmung bildet die Brücke zwischen Körper und Geist und die Asanapraxis folgt dem Prinzip von vinyasa krama („jeder Schritt bereitet den nächsten Schritt vor“). Mit der Zeit lernst du die Länge der Atmung an die Dauer der Bewegung anzupassen. Geduld ist gefragt, denn Veränderung ist immer ein Prozess der Zeit der Beharrlichkeit und kontinuierliche Praxis erfordert.
Meditation in Bewegung
Im Vinyasa Yoga wollen wir wieder lernen den Moment zu schätzen, den Weg und nicht nur das Ziel vor Augen wahrzunehmen. Vinyasa Yoga wird auch oft als „Meditation in Bewegung“ beschrieben. Die Ujjayi Atmung hilft dir, den Atem als Ankerpunkt zu nutzen, um dich vor Ablenkung und mangelnder Konzentration zu schützen. Wie auch in der Achtsamkeitsmeditation besteht die ständige Herausforderung darin, zu bemerken und zurückzukehren. Zu bemerken, dass du nicht mehr von deinem Atem getragen wirst und den Weg dorthin zurückzufinden.
Die Entstehung von Vinyasa Yoga
Die Entwicklung des Yoga erstreckt sich über Jahrtausende. Einige Schriften lassen vermuten, dass die Entwicklung bereits 3000-5000 Jahre vor Christus begann. Ursprünglich kann Yoga als Philosophie verstanden werden, die den Weg der spirituellen Vervollkommnung des Geistes mit einer höheren Macht beschreibt. Vinyasa Yoga hat wie alle anderen körperbetonten Yogastile (z.B. Ashtanga, Jivamukti oder Yin Yoga ) seinen Ursprung im Hatha Yoga. Hatha Yoga hat sich aus der tantrischen Revolution entwickelt, welche ab 500 nach Christus begann.
Der Tantrismus ist ein spiritueller Übungsweg, welcher den Körper mit einbezieht, um die subtilen Bewusstseinslehren des Tantra erfahrbar zu machen. Er galt als revolutionärere Bewegung in der indischen Spiritualität, welcher vorangegangene Phasen der Askese, in denen der menschliche Körper mit all seinen Funktionen als unrein angesehen wurde neu definierte. Erst im Hatha Yoga, ab 900 n. Chr. stellte Yoga den Körper in der spirituellen Praxis in den Mittelpunkt. Das Yogasutra nach Patanjali mit seinen 195 Versen stellt eine Zusammenfassung bedeutender yogaphilosophischer Wege dar und bildet auch heute noch die Grundlage des klassischen Yoga und eine Orientierung für modernere Yogastile.
Wie Yoga in die westliche Welt kam
In der westlichen Welt etablierten sich körperbetonte Yogastile erst in den 1920er und 1930er Jahren. Krishnamacharya war einer der einflussreichsten Yogalehrer unserer Zeit. Er lebte von 1888-1989 in Indien, gilt als Gründer des Vinyasa Yoga und wird auch heute noch als Vater des „modernen“ Yoga bezeichnet. Yogapraxis in der Tradition von Krishnamacharya orientiert sich an den Zielen der traditionellen Yogaschriften, stellt jedoch den einzelnen Menschen in den Vordergrund. Nicht der Mensch muss sich an Yoga anpassen, sondern Yoga passt sich an den einzelnen Menschen an. Und zwar entsprechend seiner Besonderheiten, Fähigkeiten und der jeweiligen Lebenssituation. Dies bedeutet, dass Yoga in einer Haltung von Achtung und Respekt gegenüber jedem einzelnen Individuum und dessen Einzigartigkeit praktiziert und gelehrt wird. Seine SchülerInnen Pattabhi Jois, Indra Devi, B.K.S. Iyengar, T.K.V. Desikachar und A. G. Mohan sollten die ersten und größten, im Westen bekannte Yoga Schulen gründen.
- Pattabhi Jois (1915 – 2009) – Asthanga Yoga
- Indra Devi (1899 – 2002) – Svastha Yoga
- B.K.S. Iyengar (1918 – 2014 ) – Iyengar Yoga
- T.K.V. Desikachar (1938 – 2016) – Vini Yoga
- A. G. Mohan (geb. 1945 )- Svastha Yoga und Ayurveda
Erste Yogaschule in Berlin
Boris Sacharow, Schüler von Krishnamurti und Sivananda, gründete 1921 die „EDY – Erste Deutsche Yogaschule“ in Berlin. Der Begriff Yoga war damals in Deutschland noch so wenig bekannt, dass er seine Kurse Anfangs unter dem Begriff der indischen Körperertüchtigung anbot. Ab den 1960er Jahren, als die New-Age-Bewegung ins Rollen kam, verstärkte sich das Interesse an der körperlichen Übungspraxis. Dennoch hatte Yoga bis zum Anfang der 1990er Jahre ein stark spirituelles Ansehen. Erst mit dem Aufkommen der US-amerikanischen Yogaformen Power Yoga und dem daraus entstandenen Vinyasa Yoga ist der Fitness-Aspekt in den Vordergrund gerückt. In der heutigen Übungspraxis betrachtet man Yoga als individuelle Bereicherung oder als Beitrag zur persönlichen Entwicklung, weitgehend unabhängig von religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen des Schülers.